Kapitel 9: "Nicht-fotografische" Fotografien

In Kapitel 7 habe ich versucht zu zeigen, das Fotografie-Sein nicht an das Abbild von Realität sondern an den fotografischen Prozess gebunden ist. Damit sind auch die Bilder der Freien Fotografie Fotografien.

Mit der digitalen Fotografie wird auch der Teil der Computertechnik, der für die grafische Ausgabe von Computerdaten entwickelt wurde, auch für die Foto-Bildausgabe genutzt. Es geht papierlos über Bildschirm oder Projektor aber es kann in Anlehnung an das Foto-Papierbild z.B. im nun digitalen Fotolabor die Fotografie auf Fotopapiere ausbelichtet und nass-chemisch entwickelt aber auch auf Drucker/Plotter ohne Fotopapier-Chemie ausgegeben werden. Das darin versteckte Problem: Wenn ich die Zahlen in einer Bilddatei mit einem Computer erzeuge, typische Beispiele [Barnsley nach S.116 Plate 8.3.1] eine Mandelbrot-Grafik oder fraktale Mathematik-Bildwelten [Stelzen S.26], und dieses ‚Bild' dann im digitalen Fotolabor auf Fotopapier plotten und nass-chemisch entwickeln lasse, ist das Ergebnis dann ein Foto?

Es gibt eine Reihe von Bild-Beispielen aus der Generativen Fotografie, die später rein mathematisch am Computer nochmals erzeugt wurden und nicht ohne Kenntnis der Bildquelle so einfach von den alten analog-fotografisch hergestellten unterscheidbar sind. Bilder aus dem Computer ohne den fotografischen Prozess als Bildquelle, weder klassischer noch freier Fotografie, die aber den Anschein von Fotografien haben.

Warum halte ich dieses Problem für wichtig? Wenn wir uns da nicht in die Diskussion einbringen und klarstellen, müssen wir

damit rechnen, dass man insbesondere den Fotokunstwerken der Freien Fotografie irgendwann das Fotografie-Sein abspricht.

Das Problem ist nicht an den Haaren herbei gezogen. [Jäger1 S.319]: "... Fotografismus (Schmoll)...". In Wikipedia [Wikipedia1] wird zur Zeit Generative Fotografie u.a. mit "...zumeist computermäßig erzeugte Bilder..." erklärt. Oder [Jäger1 S.107]: "Eine >fotografisch erzeugte Fotografie< ist keine Tautologie mehr in dem Augenblick, in dem es möglich ist, sie auf andere als fotografische Weise herzustellen. ...". Was soll eine ‚virtuelle Fotografie' sein [Stelzen S.26]? Die vernünftigste Erklärung ist noch: Sieht aus wie eine Fotografie ist aber keine!

Der Graben ist heute tiefer. Wenn sich die Fotografen/Fotokünstler egal welcher Lesart nicht klar von den rein computermäßig erzeugten Bildern abgrenzen, können ihre Fotografien/Fotokunst auch nicht als besondere fotografische Leistungen erkannt werden, nicht vom Ausstellungsbesucher, nicht vom Kaufinteressenten, nicht vom Kunstmarkt ec.

Das Problem steckt in dem, was sie unter Fotografie verstehen wollen. Sie müssen sich jetzt entscheiden, was für sie eine Fotografie sein soll. Sie entgegnen, das wäre doch klar! Nein, ist es nicht! Seit der Geburt der Fotografie wird darum gerungen bis heute. [Reese S.7]: "... Jäger zählt die oben angeführten Fotografen zu einer bildgebenden Richtung der Fotografie, die sich durch einen freien kompositorischen, d.h. in gewisser Weise auch künstlerisch-schaffenden Umgang mit dem fotografischen Material auszeichne. Zwangsläufig verunklärt sich hier die Grenze zwischen Fotografie und einem mit fotografischen Mitteln hergestellten Bild. ...".
Zum Kapitel 10

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